12.03.2019
Alles fing 1973 an, als anderthalb Kilometer Tiefe unter dem Ort Thermalwasser entdeckt wurde. Wie Bad Birnbach wurde, was es heute ist, und trotzdem ländlich blieb, zeigt ein Blick in die Geschichte.
Das Jahr 1973 markiert nicht nur den Fund des siebzig Grad heißen Wassers in 1618 Meter Tiefe, sondern auch die Gründung des Zweckverbandes Thermalbad Birnbach. Der neue Landkreis Rottal-Inn und die Großgemeinde Birnbach schlossen sich paritätisch in diesem Verband zusammen, dessen erster Vorsitzender Landrat Ludwig Mayer war. Sein Vize hieß folgerichtig Hans Putz. Bereits ein Jahr später wurde die Quelle durch den damaligen Staatssekretär Erich Kiesl (ein gebürtiger Pfarrkirchner) nach dem Schutzpatron der Hofmark Birnbach als „Chrysantiquelle“ getauft. Jetzt konnte der Aufstieg des Ortes beginnen, den die Süddeutsche Zeitung ein paar Jahre später gar als „Wunderkind der deutschen Bäderlandschaft“ bezeichnen sollte.
Hans Putz und Ludwig Mayer wurden als Väter der Badentwicklung in Birnbach bereits erwähnt. Spätestens an dieser Stelle müssen noch weitere Namen genannt werden. Hanns Weber gehört hier sicherlich dazu, denn der einstige Oberregierungsrat des Landratsamtes leitete die Geschäfte des Zweckverbandes Thermalbad Birnbach und galt über viele Jahre hinweg als unermüdlicher Motor des ganzen Projektes. Auch Jürgen O. Brauerhoch muss hier genannt werden. Er war der „Werbemann“ der ersten Stunde. Die Wichtigsten waren jedoch die Bürger, denn nur mit ihrer Unterstützung konnte etwas bewegt werden. Folgerichtig gab es eine Reihe von Bürgerversammlungen, Informationsveranstaltungen und viele Einzelgespräche. Was der Politik damals gelang, ist ein Kunststück, das in Deutschland bis heute einzigartig geblieben ist. Zunächst war es die Gemeinde Birnbach, dann der Zweckverband Thermalbad Birnbach, der die Grundstücke im gewünschten Bebauungsplan Kurgebiet kaufte und damit das wichtigste Steuerungselement in den Händen hielt. Die Verantwortlichen entschieden sich schon sehr früh für eine Anbindung des Kurgebietes an den alten Ortskern. Dies sollte über den von Bürgermeister Hans Putz gewünschten „Neuen Marktplatz“ als Bindeglied erfolgen. Grundlage war ein bis heute gültiges interdisziplinäres Gutachten. Städtebauliche Grundsätze wurden ebenso beleuchtet und durchdacht wie die Entwicklung der Verkehrssituation.
Kein Badeghetto abseits des Ortes
Im Unterschied zu zahlreichen anderen Beispielen wollte man kein isoliertes „Ghetto“ als Kurzentrum, sondern vielmehr eine Weiterentwicklung des historischen Ortes mit Augenmaß. Die städtebaulichen Leitlinien stellte Prof. Ing. Helmut Gebhard vom Münchner Institut für ländliches Bauwesen an der Technischen Universität auf. Prof. Günther Grzimek, wie Prof. Gebhard ein wichtiger Gestalter rund um die Olympischen Spiele 1972 in München und Weggefährte des genialen Gestalters Otl Aicher, sorgte für den Grünordnungsplan. Dr. Boventer war für den betriebswirtschaftlichen Teil verantwortlich und beleuchtete auch die Chancen von Hotellerie und Gastronomie. Es entstand eine eigene Handschrift, die Städte- und Landschaftsbau ineinander verschmelzen ließ. Von jedem Punkt aus sind es nur ein paar Schritte, und man ist wieder mitten im Grünen. Dieses Credo galt bei den Verantwortlichen von Anbeginn auch für die Rottal Terme, die übrigens ganz bewusst im Eigennamen eine italienische Schreibweise, also die „Terme“ ohne das „h“ nach dem „T“ bekommen hat. Der beginnende Süden soll damit symbolisiert, aber auch die Verbundenheit mit der Natur. „Gesundheit und Erholung im ländlichen Bad“ lautete die Kernaussage, auf die man sich sehr früh verständigte. Auch sie hat noch heute Gültigkeit – vielleicht sogar mehr denn je.
„Die Herausforderung neue Impulse im ländlichen Raum Wirklichkeit werden zu lassen, führte zu der Entwicklungsidee „ländliches Bad“, als bewusstes Alternativprogramm zu bestehenden Kurorten mit repräsentativen Badeanlagen und hoch gebauten Hotelpalästen. Im ländlichen Bad sollte sich eine entspannte Atmosphäre der Freiheit und der Freizeit aus den landschaftlichen und baulichen Eigenwerten von Ort und Region entwickeln. Das ländliche Bad konnte mit schonender Einfügung in den bestehenden Talraum und seine Randhöhen die Anziehungskraft einer naturnahen Kulturlandschaft erhöhen und die Heilkräfte von reiner Luft und heißem Thermalwasser, von Weiträumigkeit und Ruhe für die Kurgäste weiter steigern“, schrieb Prof. Gebhard 2010 in seinem Artikel „Entwicklungsidee und Leitbild „ländliches Bad“ in der Dokumentation „Weiterentwicklung Rottal Terme 2003 – 2010. 6
Gemütliche Pensionen und komfortable Hotels
In der Tat, ein Schritt folgte nun dem anderen, die Pläne reiften heran und die ersten Grundstücke konnten verkauft werden. Als erstes Hotel im neuen Kurgebiet entstand der Quellenhof, der noch heute zu den wichtigsten Adressen in Bad Birnbach zählt. In der Hofmark war kurz vorher aus dem Gasthaus Alte Post das „Gräfliche Hotel Alte Post“ geworden (1974). Die erste Pension war von der Familie Scholz im bestehenden Ortsbereich in Betrieb genommen worden. Die ersten Übernachtungsangebote waren diese Adressen allerdings nicht, denn schon lange vor der Bohrung beschäftigten sich einige Birnbacher mit den „Sommerfrischlern“. Prominentestes Beispiel ist wohl das heutige Gästehaus Hasenberger in Aunham. Der Vater des derzeit amtierenden Bürgermeisters erkannte schon in den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, dass „Urlaub auf dem Bauernhof“ zwar ein Wagnis, wohl aber auch ein vielversprechendes Unterfangen war. Von den frühen Bemühungen um den Tourismus zeugt noch heute der Josef-Hasenberger-Weg. Wenngleich sich auch Pioniere wie Josef Hasenberger sen. gewiss nicht ausmalen konnten, welchen fulminanten Verlauf die Dinge einmal nehmen würden, so ist es doch bemerkenswert, dass Josef Hasenberger sen. auch Gründungsvorstand im Fremdenverkehrsverein, dem heutigen Ring der Gastlichkeit war. Und es verwundert nicht, dass auch bei der Gründung dieses Vereins die Junge Union 1971 als Initiator quasi Pate stand.
Alfred Dick, der erste Umweltminister des Freistaates Bayern wurde eingeschaltet. Die Kontakte zur Familie Bäumel als Investoren im Quellenhof dürften wohl auch auf ihn zurückführen sein. Dick pflegte auch beste Beziehungen in die Lokalredaktion der Passauer Neuen Presse. Mit dem damaligen Lokalchef Viktor Gröll sen. drückte er gemeinsam die Schulbank. Auch den früheren Regierungspräsidenten Dr. Gottfried Schmid kannte Gröll aus gemeinsamen Kindheitstagen. Viktor Gröll sen. wurde zum steten Begleiter der Birnbacher Entwicklung. Dies passte bestens zu den Leitlinien von Verlagsgründer Dr. Hans Kapfinger, der die wirtschaftliche Entwicklung Ostbayerns ins Zentrum seiner Bemühungen gestellt hatte. Dr. Kapfinger brachte dies mit mehreren Besuchen in Birnbach zum Ausdruck. Dabei war er stets ein gerne gesehener Gast.
Im März 1974 erteilte der Zweckverband an Prof. Gebhard den Planungsauftrag für das erste Kurmittelhaus. Der damalige Staatsminister Anton Jaumann legte schon im Juli 1974 den Grundstein für den ersten Bauabschnitt der Rottal Terme, für das sogenannte „Hofbad“. Er war es auch, der in der Folgezeit den Birnbacher Bemühungen hinsichtlich der Kurortentwicklung sehr wohlgesonnen blieb. Formell wurde auch im selben Jahr die Aufstellung des Bebauungsplanes Kurgebiet beschlossen und an Prof. Gebhard vergeben. Federführend war beim Bebauungsplan und beim Grünordnungsplan von Anbeginn der Zweckverband, wobei natürlich alle hoheitlichen Entscheidungen der Gemeinderat zu treffen hatte. Während Planungen und Bauarbeiten in Birnbach auf vollen Touren liefen, war die Politik bereits mit neuen, ganz eigenen Baustellen beschäftigt. Es war klar, dass der junge Landkreis und die aus sechs Altgemeinden zusammengestellte Großgemeinde mit derart großen Aufgaben alleine nicht zurechtkommen konnten.
Dem Beispiel von Füssing folgend, wurden Verhandlungen mit dem Bezirk Niederbayern aufgenommen. 1975 gelang es schließlich, den Bezirk für den Einstieg in den Zweckverband Thermalbad zu gewinnen. Ein Stück Infrastruktur für das strukturschwache Rottal sollte geschaffen werden. Der damalige Bezirkstagspräsident Karl Freiherr von Moreau wurde aufgrund der neuen Mehrheitsverhältnisse Chef im Zweckverband. 60 Prozent (= 6 Stimmen im Zehnergremium) hielt fortan der Bezirk, der Landkreis Rottal-Inn ist seither mit 30 Prozent (= 3 Stimmen) und die Gemeinde Birnbach mit 10 Prozent (= 1 Stimme) beteiligt. Was zu diesem Zeitpunkt niemand ermessen konnte, ist die Rolle des „Bäderpräsidenten“ Sebastian Schenk. Er sollte von 1978 an 20 Jahre lang als Vorsitzender des Zweckverbandes Thermalbad Birnbach eine exponierte Rolle in der Entwicklung des ländlichen Bades einnehmen.
Unterdessen wurde die erste richtige Werbeoffensive gestartet. Vor allem München und Regensburg nahm man ins Visier. Der erste Werbeetat belief sich damals auf stolze 104.000 D-Mark. Am 23. Juli 1976 war es dann soweit. Nach knapp zweijähriger Bauzeit öffnete die Rottal Terme im Beisein von Staatssekretär Franz Sackmann die Pforten. Gefeiert wurde mit der gesamten Bevölkerung. Tags darauf waren übrigens Karl Kirschner aus Hirschbach, Hermine Mania und Maria Sporrer (beide aus München) die ersten Gäste. Sie sollten nicht die Ausnahme bleiben, sondern ganz im Gegenteil wurde Birnbach bereits als „Geheimtipp“ gehandelt. Berichte über die Kraft des Wassers machten schnell die Runde.
Während die ersten Badegäste also im wohlig warmen Thermalwasser des „Hofbades“ badeten, ging es bei den Verantwortlichen in der Gemeinde und beim Zweckverband darum, die Planungen für das Kurgebiet weiter voranzutreiben. Für die Gemeinde brachten diese Gründungsjahre hohe Investitionen mit sich, um Straßen, Wege und Parkplätze zu erschließen. Auch die Anlage des Kurparks bedeutete einen hohen Kraftaufwand.
Quelle: Bad Birnbach – Eine Erfolgsgeschichte
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