22. April 2022 – Rund drei Wochen früher als vor einem Jahr wird in Ober- und Niederbayern in den nächsten Tagen die Apfelblüte einsetzen. Die Nachtfröste scheinen vorbei, der starke Regen hat die Bäume gut gewässert, und die warmen Temperaturen der letzten Tage tun das Ihrige, um die Streuobstwiesen der Region in ein Blütenmeer aus Weiß und Rosa zu verwandeln.
Bis letzte Woche waren die Blüten noch gut eingepackt in den Knospen. Angelegt wurden sie bereits im vergangenen Spätsommer, über den Winter ist das Zellmaterial langsam herangereift. Solange es nachts noch Temperaturen von nahe Null oder darunter hatte, entwickelten sich die Blüten kaum weiter. „Die Bäume wissen ganz genau, wann die Blüten bereitstehen müssen“, sagt Dr. Sebastian Grünwald, selbst Streuobstwiesenbauer auf dem Grassl-Hof nördlich von Freising, Pomologe und Berater der Natursaftkelterei Wolfra. „Die Bäume haben Rezeptoren für die Temperatur, die Lichtstärke und die Tageslänge.“
Je nach Meereshöhe und Lage der Bäume springen die Blüten jetzt nach und nach auf: als erstes am zweijährigen Holz, später erst ist das einjährige Holz dran. So schreitet die Apfelblüte vom Inneren des Baums bis zu den Astspitzen fort. „Der Sinn hinter dieser Strategie ist es, das Risiko zu streuen“, sagt Grünwald. Der Baum öffne nicht alle Blüten zur selben Zeit, um einerseits die Insekten nicht mit einem zu großen Angebot zu überfordern. Andererseits, um auch sicher Insektenflug zu erwischen. „An Regentagen kommen Bienen und andere Bestäuber nicht so gern raus“, sagt der Pomologe. Eine einzelne Blüte öffnet zwei bis drei Tage lang, danach fällt sie bereits ab. Es öffnen dabei auch nicht alle Blüten eines Knospenbüschels gleichzeitig, sondern immer zuerst die Blüte in der Mitte, die so genannte Königsblüte. Die liefert im Herbst dann auch den größten Apfel.
Bisher viel zu wenig Regen
Ob 2022 ein gutes Apfeljahr wird, kann Grünwald noch nicht abschätzen. „Da kommt es sehr auf den weiteren Verlauf in den nächsten Monaten an, auf Temperaturen, Niederschläge, Sonnenstunden“, sagt der Pomologe. „Die ersten Monate des Jahres waren jedenfalls eindeutig zu trocken, in manchen Gegenden Ober- und Niederbayerns fehlten zwischen 20 und 40 Prozent der Niederschläge im langjährigen Mittel, im März bis auf den unmittelbaren Alpenrand sogar 60 bis 70 Prozent.“ Zwar hätten sich die meisten Obstbäume in der eher regnerischen Saison 2021 wieder erholen können. Die Trocken- und Hitzeschäden von 2020 dürften aber längst noch nicht überall überwunden sein und manchen Baum am Ende doch eingehen lassen, so Dr. Grünwald. Umso wichtiger seien die laufenden Bemühungen der Natursaftkelterei Wolfra, die Streuobstflächen zu verjüngen und zu erneuern.
Wolfra hat letztes Jahr rund 360 Tonnen biologisch sowie 741 Tonnen konventionell erzeugte Äpfel von heimischen Apfelbäumen bezogen, insgesamt rund 1.101 Tonnen, und daraus etwa 850.000 Liter Saft gekeltert. Das Obst stammt von rund 1.500 Obstbauern im niederbayerischen Rottal und der Region um Erding. Die Kelterei setzt seit jeher ganz bewusst auf Äpfel von ökologisch wertvollen Streuobstwiesen statt von Apfelbaum-Plantagen.
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